Vor dem Hintergrund der laufenden Überlegungen zur Digitalisierung von Kontaktverfolgungs-Lösungen (“Luca App”, etc.) habe ich mir die geltenden Corona-Schutzverordnungen jedes Bundeslandes und die jeweiligen Regelungen zur Kontaktverfolgung genauer angesehen.
Ein undurchsichtiges Wirrwarr
Die gravierenden Nachteile föderalistischer Strukturen für die Bekämpfung einer Pandemie zeigen sich auch hier: Die Corona-Schutzverordnungen sind in jedem Land unterschiedlich strukturiert, formuliert und formatiert. Einige Länder bieten sie in Lesevarianten an, andere lediglich als eine Aneinanderreihung von Änderungs-Verordnungen. Die jeweilige Auffindbarkeit unterscheidet sich stark.
Nicht einmal die Bezeichnung ist eindeutig; so nennt etwa Rheinland-Pfalz die Verordnung “Corona-Bekämpfungsverordnung”.
Digitale Erfassung widerspricht nahezu immer der aktuellen Rechtslage
Bezogen auf die Einsetzung digitaler Lösungen sind manche der Regelungen problematisch. Sie machen meines Erachtens den Einsatz in einigen Fällen gesetzeswidrig und aus Sicht der Gastronomen und Einzelhändler mindestens schwierig:
- Einige Bundesländer verpflichten die Erheber der Daten (das sind die Gastronomen, Einzelhändler, etc.) zur Überprüfung der Daten auf Plausibilität (Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz). Die meisten der zurzeit diskutierten Kontakterfassungs-Lösungen werben allerdings explizit damit, dass außer für den Falle einer möglichen Infektion, diese Daten von niemandem eingesehen werden können.
In diesen Ländern können diese Systeme ergo nicht eingesetzt werden, weil die vom Land auferlegte Pflicht nicht erfüllt werden kann.
Interessantes Detail: Auch Mecklenburg-Vorpommern verpflichtet Einzelhändler und Gastronomen zur Plausibilitätsprüfung, hat sich mit der Luca App aber eine Lösung eingekauft, mit der dies explizit unterbunden wird. Manuela Schwesig scheint ihre eigene Verordnung nicht zu kennen.
- Gastronomen und Einzelhändlern werden in manchen Bundesländern für den Fall einer digitalen Erfassung weiterreichende Pflichten auferlegt. Unter anderem müssen sie selbst sicherstellen (Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz), dass die digital erfassten Daten nach Ablauf der Verwahrdauer unwiederbringlich gelöscht werden. Es ist unklar, wie darüber vom “Gastronom nebenan” ein Nachweis erbracht werden kann.
Fazit
Mein Fazit nach dieser Tour de Force durch den deutschen Bürokratie-Dschungel: Wir brauchen etwas anderes, als die inzwischen zehn Monate alte Idee der Kontaktdatenerfassung. Ich habe das bereits ausgeführt. Das inkonsistente Management und die große Schwäche föderaler Strukturen für die Problemstellungen zeigen sich eklatant.
Hier die Zusammenfassung in der Übersicht
Diese Tabelle funktioniert wahrscheinlich auf mobilen Geräten nur eingeschränkt.
Bundesland | Verordnung | Daten | Prüfung durch Gastronom / Händler erforderlich | Wortlaut (Auszug) | Explizite Erwähnung digitaler Systeme | Bemerkung |
---|---|---|---|---|---|---|
Baden-Württemberg | vom 08.03.2021 | – Vor- und Nachname – Anschrift – Datum und Zeitraum der Anwesenheit – soweit vorhanden, die Telefonnummer | Nein | “Soweit Anwesende Kontaktdaten nach Absatz 1 Satz 1 gegenüber den zur Datenverarbeitung Verpflichteten angeben, müssen sie zutreffende Angaben machen.” | Nein | |
Bayern | vom 05.03.2021 | – Vor- und Vornamen – eine sichere Kontaktinformation (Telefonnummer, E-Mail-Adresse oder Anschrift) – Zeitraum des Aufenthaltes | Nein | “[…] werden gegenüber dem zur Erhebung Verpflichteten Kontaktdaten angegeben, müssen sie wahrheitsgemäß sein.” | Ja | |
Berlin | vom 04.03.2021 | – Vor- und Nachname – Telefonnummer – Bezirk oder Gemeinde des Wohnortes oder des Ortes des ständigen Aufenthaltes – vollständige Anschrift oder E-Mail-Adresse – Anwesenheitszeit – Platz- oder Tischnummer | Ja | “Die Verantwortlichen im Sinne des Absatzes 1 [Gastronomen, etc. Anm. d. Red.] haben anwesenden Personen, die unvollständige oder offensichtlich falsche Angaben machen, den Zutritt oder den weiteren Verbleib zu verwehren.” | Nein | |
Brandenburg | vom 07.03.2021 | – Vor- und Familienname – Telefonnummer – E-Mail-Adresse – Datum und Zeitraum der Anwesenheit | Ja | “Die oder der Verantwortliche hat die Angaben auf Plausibilität zu kontrollieren sowie sicherzustellen, dass eine Kenntnisnahme der erfassten Daten durch Unbefugte ausgeschlossen ist.” | Nein | |
Bremen | vom 11.02.2021 | – Namen – zugehörige Telefonnummer oder E-Mail-Adresse – Zeitpunkt des Betretens und Verlassens (je einer Vertreterin oder eines Vertreters der anwesenden Haushalte zu erheben) | Nein | “Soweit gegenüber der oder dem zur Erhebung Verpflichteten Kontaktdaten angegeben werden, müssen sie wahrheitsgemäß sein; […]” | Nein | |
Hamburg | vom 11.03.2021 | – Name – Wohnanschrift – eine Telefonnummer – Datum und Uhrzeit | Ja | “Die oder der zur Datenerhebung Verpflichtete hat zu prüfen, ob die angegebenen Kontaktdaten vollständig sind und ob diese offenkundig falsche Angaben enthalten (Plausibilitätsprüfung).” | Nein | |
Hessen | vom 08.03.2021 | – Name – Anschrift – Telefonnummer | Nein | Nein | Merkwürdigerweise ist die Erfassung von Datum und Zeitraum hier nicht explizit gefordert. | |
Mecklenburg-Vorpommern | vom 09.03.2021 | – Vor- und Nachname – vollständige Anschrift – Telefonnummer – Datum und Uhrzeit | Ja | “Die oder der zur Datenerhebung Verpflichtete hat zu prüfen, ob die angegebenen Kontaktdaten vollständig sind und ob diese offenkundig falsche Angaben enthalten (Plausibilitätsprüfung).” | Ja | Explizite Erwähnung der Luca App: “[…] Sie soll in elektronischer Form, sobald verfügbar, landeseinheitlich mittels der LUCA-App erfolgen.” |
Niedersachsen | vom 15.03.2021 | – Vor- und Nachname – vollständige Anschrift – Telefonnummer – Erhebungsdatum – Erhebungsuhrzeit | Ja | “[…] bei begründeten Zweifeln auf Plausibilität zu überprüfen, zum Beispiel durch Vorlage eines Personalausweises.” | Nein | |
Nordrhein-Westfalen | vom 12.03.2021 | – Name – Adresse – Telefonnummer – Zeitraum des Aufenthalts – beziehungsweise Zeitpunkt von An- und Abreise | Nein | Ja | Gastronomen etc. werden explizit für die Löschung der erhobenen Daten verantwortlich gemacht und müssen diese sicherstellen. Dies dürfte mit den meisten digitalen Kontaktverfolgungs-Lösungen zurzeit nicht gewährleistbar sein, da die Datenverarbeitung hoheitlich nicht bei den Gastronomen liegt. Zitat: “Die für die Datenerhebung gemäß Absatz 1 Verantwortlichen [Gastronomen, etc. Anm. d. Red.] können zusätzlich eine digitale Datenerfassung anbieten, haben dabei aber sämtliche Vorgaben des Datenschut- zes (insbesondere bei der Fremdspeicherung von Daten) und die vollständige datenschutzkon- forme Löschung der Daten nach vier Wochen in eigener Verantwortung [Hervorhebung durch Red.] sicherzustellen.” | |
Rheinland-Pfalz | vom 15.03.2021 | – Vor- und Nachname – Anschrift – Telefonnummer – Datum und Zeit der Anwesenheit | Ja | “Die oder der zur Datenerhebung Verpflichtete hat zu prüfen, ob die angegebenen Kontaktdaten vollständig sind und ob diese offenkundig falsche Angaben enthalten (Plausibilitätsprüfung).” | Ja | Analog zur Regelung in NRW wird die Verpflichtung zur Sicherstellung der Löschung auf den zur Datenerhebung Verpflichteten gelegt: “Die oder der zur Datenerhebung Verpflichtete kann eine digitale Erfassung der Daten nach Satz 2 anbieten. Dabei sind die Vorgaben des Datenschutzes (insbesondere bei der Fremdspeicherung von Daten) und die vollständige datenschutzkonforme Löschung der Daten nach vier Wochen in eigener Verantwortung [Hervorhebung durch Red.] sicherzustellen.” |
Saarland | vom 22.01.2021 | Erfassung je eines Vertreters der anwesenden Haushalte mit – Vor- und Nachname – Anschrift – Erreichbarkeit (Rufnummer oder E-Mail-Adresse) – Ankunftszeit | Nein | Eine Verpflichtung zur Überprüfung der Richtigkeit der Daten wird explizit ausgeschlossen. | Ja | Beim Einsatz digitaler Lösungen liegen folgende Verantwortlichkeiten beim Gastronom, Einzelhändler, etc: “[…] 1. den Einsatz eines Verschlüsselungsverfahrens, 2. technische Sicherungen gegen ein betriebs- oder veranstaltungsübergreifendes Zusammenführen der Daten, 3. den Einsatz einer automatisierten Löschroutine zur Einhaltung der Fristen nach Absatz 2. |
Sachsen | vom 05.03.2021 | – Name – Telefonnummer oder – E-Mail-Adresse – Postleitzahl – Zeitraum und Ort des Besuchs | Nein | Ja | Es wird explizit auf die Erfordernis der Barrierefreiheit hingewiesen. Kontaktverfolgungs-Lösungen, wie z.Bsp. die Luca App müssten also daraufhin überprüft werden. | |
Sachsen-Anhalt | vom 25.02.2021 | – Vor- und Nachnamen – vollständige Anschrift – Telefonnummer – Zeitraum und – Ort des Aufenthalts der Kunden | Nein | Nein | ||
Schleswig-Holstein | vom 10.03.2021 | – Erhebungsdatum und -uhrzeit – Vor- und Nachname – Anschrift – Telefonnummer oder – E-Mail-Adresse | Nein | Nein | ||
Thüringen | vom 12.03.2021 | – Vor- und Nachname – Wohnanschrift oder – Telefonnummer – Datum, Beginn und Ende der jeweiligen Anwesenheit | Nein | Ja |
Für Diskussionen, Korrekturen und Ergänzungen stehe ich auf Twitter zur Verfügung.
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