Die aktuell lauter werdenden Diskussionen rund um Apps und Lösungen zur Erfüllung der Anforderungen aus den länderspezifischen Corona-Schutzverordnungen (CoronaSchV) lenken leider davon ab, was wir eigentlich wollen.
Das Erfordernis, von Gästen, Besuchern und Kunden personenbezogene Daten zu erfassen und auf Anforderung dem Gesundheitsamt zur Verfügung zu stellen, ergibt sich aus der Corona-Schutzverordnung. Diese entsteht in der Zuständigkeit der Bundesländer und unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. Ihre grundsätzlichen Inhalte werden zwischen Bund und Ländern in der Ministerpräsidentenkonferenz abgestimmt. Die Länder sind in der Ausgestaltung frei. In Nordrhein-Westfalen hielt der entscheidende § 2a Rückverfolgbarkeit in der Version vom 30.05.2020 Einzug. Die Version vom 11.05.2020 enthielt den Abschnitt noch nicht. Das Ergebnis war dann Mitte letzten Jahres die uns allen bekannte Zettelwirtschaft in der Gastronomie.
Inzwischen ist relativ klar, dass diese Anforderung jede Menge ganz praktische Probleme mit sich bringt, mit denen die Länder die zur Einhaltung verpflichteten Gastronomen alleine gelassen haben:
- Es ist nicht sichergestellt, dass Gäste die Listen wahrheitsgemäß ausfüllen. Beobachtet wird eine Häufung der Restaurantbesuche von Donald Duck der unter 47110815 erreichbar ist.
- Der Schutz der Privatsphäre ist schwierig. Ich selbst habe an Tischen im Restaurant jede Menge Zettel vorausgegangener Besucher:innen gefunden, teilweise lag die Sammlung des ganzen Tages frei zugänglich auf dem Tresen.
- Der gesamte Prozess ist analog, voller Medienbrüche und damit langsam. Geschwindigkeit ist allerdings erfolgskritisch.
- Die Kapazität der Gesundheitsämter zum Ab- und Hinterhertelefonieren von Listen ist begrenzt. Sie lässt sich auch nicht beliebig erweitern.
Viele sogenannte Kontaktverfolgungs-Apps treten nun an, diesen Prozess vom Papier in digitale Systeme zu überführen.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang gerne an Thorsten Dirks, der als CEO von Telefónica Deutschland einst sagte: “Wenn sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben sie einen scheiß digitalen Prozess”.
Auf diesen scheiß digitalen Prozess konzentrieren wir zurzeit leider nahezu die ganze Diskussion.
Was wir eigentlich wollen ist:
- Zusammenkünfte tracken. Nicht personenbezogene Daten und konkrete Orte.
- Schnell und automatisiert möglicherweise Infizierte benachrichtigen.
- Die Digitalisierung der Gesundheitsämter vorantreiben und eine perspektivische Integration vorbereiten.
Konzepte und Referenz-Implementierungen wie CrowdNotifier dazu gibt es.
Im Idealfall setzen wir diese in der Corona-Warn-App um und nutzen die installierte Basis von ˜26 Millionen Nutzer:innen.
Dazu müssen die 16 Länderchefs den zehn Monate alten Paragraphen zur einfachen Rückverfolgbarkeit in der Corona-Schutzverordnung an die neuen Erkenntnisse anpassen. Zehn Monate sind in einer Pandemie ein langer Zeitraum. Es ist an der Zeit, neu Gelerntes in den Verordnungen zu berücksichtigen. Die Länderregierungen würden damit den Weg ebnen, für einen digitalen Prozess, der einen weiteren kleinen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie leisten kann. Die leidigen Diskussionen um Luca App und ihre vielen Alternativen hätten endlich ein Ende.
Mein Tweet an die Landesregierungen blieb leider bisher ohne Reaktion.
One Reply to “Kontaktverfolgung, #LucaApp und was wir wirklich wollen”
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